Das Hallenbad brachte den großen Schub
Von Dr. Rolf Müller
Der Schwimmverein Gelnhausen blickt auf eine 100-jährige Geschichte zurück. Ehrenvorsitzender Dr. Rolf Müller hat für die GNZ einen Blick in die Chronik geworfen. Im zweiten von drei Teilen geht es um internationale Freundschaften, die Ära des Erfolgstrainers Friedhelm Rudolf, die Leistungen der Kunstspringer und die Entstehung der Triathlon-Abteilung.
Zur Geschichte des SVG gehört auch, dass der Blick über die Grenzen der Heimat hinaus nie vergessen wurde. Über 40 Jahre gab es eine enge Beziehung zwischen dem Club Nautique Nivernais und dem SVG, die 1964 zunächst mit einem Besuch in der Gelnhäuser Partnerstadt Clamecy begann, wo der später auf tragische Weise verschollene Weltumsegler Alain Colas eine wichtige Rolle spielte. Jahr für Jahr besuchten sich die Schwimmer aus Nevers und Gelnhausen wechselseitig und waren jeweils in Gastfamilien untergebracht, was zum Teil zu langjährigen persönlichen Freundschaften führte. Leider beendete der CNN im Jahre 2010 nach 45 Jahren diese schöne Tradition und damit eine Ära des internationalen Jugendaustauschs.
Da Gelnhausen in diesen Jahren, wie viele deutsche Kommunen, über kein Hallenbad verfügte, starteten die SVG-Aktiven in der Klasse der „VoW-Vereine“ (Vereine ohne Winterbad), die naturgemäß sehr leistungsstark war.
1964 ging der Stern eines Schwimmers auf, dem es sogar gelang, Mitglied der Deutschen Jugend-Nationalmannschaft zu werden: Peter Reder – eine Ehre, die später noch Wolfgang Zimmer und der Wasserspringerin Silke Kretschmar zuteil wurde.
Als am 8. Juli 1965 endlich das Freibad eröffnet wurde, ergaben sich wesentliche Trainingsverbesserungen, die bald zu einer Leistungsexplosion führten. Trainer Friedhelm Rudolf formte eine schlagkräftige Wettkampfmannschaft, die bald mit zu den stärksten in Hessen zählte. Doch neben dem Leistungssport vergaß man im SVG nie die Talentförderung und den Breitensport.
Der exzellente Ruf von Friedhelm Rudolf als Trainer führte dazu, dass er 1970 zum Landesschwimmwart des Hessischen Schwimmverbands gewählt wurde und das Amt über drei Jahrzehnte ausübte. In diesem Jahr, in dem die Stadt Gelnhausen ihre 800-Jahr-Feier veranstaltete, nahmen mehrere SVG-Aktive siegreich an dem internationalen Fernsehwettbewerb „Spiel ohne Grenzen“ in Berlin teil.
Als ein zweites sportliches Bein begann sich bei den Kunstspringern unter dem fachgerechten Training von Ferdinand Schmitt eine Troika herauszubilden. Neben dem erfolgreichen Routinier Rainer Zweifel reiften Dieter Dörr und Udo Wieschnowsky zu Brettartisten heran. Dem Ausnahmespringer Dieter Dörr, der 39 Mal Deutscher Meister wurde, gelangen mit seinen beiden Olympiateilnahmen 1976 und 1984 Erfolge, die bisher einmalig in der Vereinsgeschichte geblieben sind.
Nach seiner großartigen internationalen Karriere gibt der Ausnahme-Athlet vorbildlich und bescheiden, wie es seine Art ist, bis heute seine Kompetenz und Erfahrung mit großem Erfolg an den Nachwuchs weiter.
Den großen Schub für die Arbeit des SVG brachte das neue Hallenbad, das von einem Zweckverband, bestehend aus Gelnhausen, Gründau und Linsengericht, errichtet und betrieben wird.
Mit Friedhelm Rudolf (Schwimmen) und Klaus Stutzer (Moderner Fünfkampf) nahmen zwei SVGler als Kampfrichter an Olympischen Spielen in München teil.
Rechtzeitig zu seinem 50. Geburtstag wies der Schwimmverein 850 Mitglieder auf und war damit der größte Verein im ehemaligen Kreis Gelnhausen.
Die Gelnhäuser Wassersportler vertieften den Kontakt mit dem Club Nautique Nevers, dazu kamen Schwimmer aus Schottland, Ägypten, Warschau, Alaska und Venice (Florida) als Gäste in die Barbarossastadt und unterstrichen die Internationalität des Vereins.
International waren auch die besonderen Leistungen von Klaus Stutzer, der zweimal von Capri nach Neapel schwamm, Manhattan umrundete, den Ärmelkanal von Dover nach Calais durchquerte und am Ironman in Hawaii teilnahm.
1977 begann eine neue Kommunikationszeit für den SVG, als die Vereinszeitung „Die Schwimmbrille“ erschien, die bis 2019 in 113 Ausgaben die Mitglieder über das Vereinsgeschehen informierte.
1979 vollzog sich ein Wechsel an der Spitze des SVG, denn Ferdinand Schmitt gab nach 24 Jahren den Vorsitz an Friedhelm Rudolf ab und wurde zum Ehrenvorsitzenden gewählt. Damit endete eine glorreiche, prägende und erfolgreiche Ära.
1985 entstand mit dem Bau eines Leistungszentrums eine wichtige Begegnungsstätte für Mitglieder und Gäste. Im selben Jahr gelang den SVG-Herren der Aufstieg in die Oberliga der Deutschen Mannschafts-Meisterschaft (DMS).
Die Wiedervereinigung hatte für den SVG eine ganz spezielle Folge, denn neben vielen neuen engagierten Mitgliedern kam mit Eberhard Mothes der ehemalige Trainer der DDR-Damennationalmannschaft nach Gelnhausen und übernahm das „Regiment“ über die Wettkampfschwimmer.
Bereits nach kurzer Zeit stiegen auch die Damen in die DMS-Oberliga auf. Als das Hallenbad von Juni 1992 bis zum Januar 1994 wegen Renovierung geschlossen blieb, mussten die Schwimmer in sieben verschiedene Bäder zum Training ausweichen, und die SVG-Mitgliedszahlen sanken um über 200.
1993 wurde der 2. Vorsitzende des Vereins, Dr. Rolf Müller, zum Präsidenten des Hessischen Schwimmverbands gewählt, womit zwei Gelnhäuser dem höchsten hessischen Verbandsgremium angehörten.
1991 war es endgültig so weit, die Triathlon-Abteilung entstand, und die „Eisenmänner“ sind bis heute ein wichtiger Bestandteil des SVG mit Wettkämpfen und Erfolgen im In- und Ausland sowie der inzwischen 21. Veranstaltung „Kinzigtal-Triathlon“ geblieben.
1997 rückte Dr. Rolf Müller sensationell nach einer Kampfabstimmung an die Spitze des hessischen Landessportbundes auf und blieb dessen Präsident bis 2022. Pünktlich im Jahre 1999, als der SVG mit einem würdigen Kommers und einem Jubiläumsball seinen 75. Geburtstag feierte, gelang der Aufstieg der Herren in die zweite Bundesliga (DMS). Zugleich gab es nach 25 Jahren einen Wechsel an der Spitze des Vereins: Helmut Bill wurde zum 1. Vorsitzenden und Friedhelm Rudolf zum Ehrenvorsitzenden gewählt.
Der bekanntesten Senioren-Aktiven des Vereins, Erna Eichmann, gelang 2000 ein besonderer Coup: Sie wurde Masters-Weltmeisterin im 5-Kilometer-Freiwasserschwimmen, und auch Dieter Dörr gelang dieser Erfolg vom 1-Meter-Brett. 2007 machte er kurzen Prozess und kam sogar mit drei WM-Titeln nach Gelnhausen zurück. Sein Schützling Josef Stadler wurde doppelter Masters-Europameister und in Göteborg sogar ebenfalls Masters-Weltmeister.
Mit Silke Kretschmar, Sabrina Gerk und Eva Schübel hatten die Wasserspringer auch drei äußerst erfolgreiche Springerinnen von nationalem Format in ihren Reihen.
Mentor und Erfolgstrainer Ferdinand Schmitt mit seinem Weltklasse-Springer Dieter Dörr.
Die Gelnhäuser Mannschaft tritt in Nevers im einheitlichen Dress an. Mit dem dortigen Club Nautique haben die Wassersportler aus der Barbarossastadt mehr als 40 Jahre eine intensive Freundschaft gepflegt.
Eine der stärksten 4×100-Meter-Bruststaffeln der 1970er-Jahre in Hessen (von links): Rolf Müller, Peter Reder, Wolfgang Zimmer und Klaus Stutzer.
Ferdinand Schmitt – Mitbegründer, Motor und Vorsitzender von 1955 bis 1979.
Friedhelm Rudolf – Erfolgstrainer und Vorsitzender von 1979 bis 1999.
Trainerlegende Friedhelm Rudolf (Mitte) im Kreise seiner erfolgreichen Aktiven Klaus Stutzer, Friedel Lerch, Peter Reder und Achim Pückler.