Der Gelnhäuser Topschwimmer schließt im Mai sein Studium in den USA ab – und denkt aktuell intensiv darüber nach, auf welche beruflichen 
und sportlichen Karriereziele er sich künftig fokussieren wird

Der Gelnhäuser Ausnahmebeckenschwimmer Alexander Kunert (26) hat seinen letzten Heimwettkampf an der Queens University in Charlotte, North Carolina, absolviert. Es ging gegen die Universität von Lenoir-Rhyne. Wie üblich bei solchen letzten Heimwettkämpfen wurden die neun „Seniors“ von ihren Kommilitonen, Trainern und Eltern dabei in einer „Recognition“ vor dem Wettkampf einzeln geehrt und mit Auszeichnungen verabschiedet. Für Kunert – zu dessen größten Erfolgen zwei deutsche Meistertitel über 200 Meter Schmetterling zählen und der die GNZ-Sportlerwahl 2010 und 2014 gewann – endet damit ein ereignisreicher Lebensabschnitt. Es warten neue, noch nicht ganz klar definierte berufliche und sportliche Herausforderungen auf ihn.

Vier Jahre liegen hinter den Schwimmern aus North Carolina, vier Jahre mit vielen Hochs und einem Tief. Die Queens University gewann bis 2022 sieben Mal in Folge in der NCAA II in den USA den nationalen College-Titel der besten Schwimmer und Springer, sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen.

Im Jahr 2020 machte die aufkommende Pandemie den Schwimmern nicht nur in Charlotte gehörig einen Strich durch die Rechnung. Mitten in der Finalentscheidung des zweiten Tages wurde das Team aus Charlotte auf Anordnung der Universitätsleitung vom Trainerstab zurückgezogen. Kurze Zeit später wurden alle Wettkämpfe auf nationaler Ebene sofort eingestellt, aus Sicherheitsgründen.

Die Enttäuschung aller Sportler war riesig, sie alle hatten über ein halbes Jahr auf dieses Ziel hintrainiert. In den Jahren 2021 und 2022 durften die Schwimmer der Queens als „Wiedergutmachung“ ihren Uniaufenthalt jeweils um ein Jahr verlängern und ihren abgesagten Wettkampf nachholen. Was dazu führte, dass Alexander Kunert insgesamt drei nationale Entscheidungen mit drei nationalen Titeln für die Uni abschloss.

Als Schwimmer des Jahres 2022 in der amerikanischen Uni-Liga ausgezeichnet

2022 wurde der Topschwimmer mit Gelnhäuser Wurzeln zudem zum Schwimmer des Jahres in der NCAA II gekürt – eine Ehre, die nur sehr wenige Sportler in ihrer Collegezeit jemals erleben. Zwei nationale Einzeltitel und weitere Siege mit der Staffel-Mannschaft sprachen für den erfolgreichen Deutschen.
Der mittlerweile 26-jährige Gelnhäuser schließt in diesem Frühjahr, dank der am Ende über vier Jahre an der Universität in North Carolina, sein zweites Studium mit einem Bachelor ab. Neben Economics, vergleichbar mit Betriebswirtschaft in Deutschland, wird Kunert auch ein Physikstudium finalisieren.

Die feierliche Graduation, der größte Moment für amerikanische Studenten, wird Anfang Mai auf dem Campus der Universität erfolgen. Danach kann Kunert bis zu drei Jahre in den USA arbeiten, denn Studenten mit einem erfolgreichen Abschluss in Physik sind in der amerikanischen Arbeitswelt überaus gefragt.

Wie es sportlich für den Leistungssportler aus dem Kinzigtal, der seinem 20-jährigen Jubiläum als Aktiver des Schwimmvereins Gelnhausen entgegenblickt, weitergehen wird, kann Kunert aktuell noch nicht eindeutig beantworten.

Einerseits würde er sich ebenso gerne wie SVG-Vereinskamerad Niklas Frach für die Olympischen Spiele 2024 in Paris qualifizieren. Andererseits bleibt der Wahl-Amerikaner aus der Barbarossastadt „angesichts der immer schwieriger werdenden Rahmenbedingungen, nicht zuletzt durch die strengen Vorgaben des Deutschen Schwimmverbands“, realistisch.

Gedanken über die Zeit nach dem Leistungssportler-Dasein

Kunert kann sich vorstellen, nach dem College weiter zu trainieren und zu schauen, was für ihn leistungstechnisch machbar ist. Allerdings sei auch zu bedenken, dass ein Leben als Nationalschwimmer auch eine Bürde sei. Unter Druck trainieren zu müssen, ständig verfügbar für Dopingkontrollen zu sein und dann auch hin und her reisen zu müssen, das kann sich Alexander Kunert „momentan nicht wirklich vorstellen.“ Aber der 26-Jährige will nicht ausschließen, dass, wenn er lockerer und ohne Druck weitermacht, dass er vielleicht doch wieder neue Bestzeiten in seinen Paradedisziplinen schwimmen kann – und dann erwacht vielleicht doch der alte Ehrgeiz wieder …

Ebenso ist es allerdings für Kunert auch vorstellbar, seine Karriere als Schwimmer zu beenden und andere Sportarten auszuprobieren, wie zum Beispiel Straßen-Radfahren oder Mountainbiking. Auf alle Fälle brauche ein Leistungssportler laut Kunert auch nach dem Ende seiner sportlichen Laufbahn die Bewegung und der will sich der Noch-Student im weiteren Leben fortwährend widmen.

Beim letzten Wettkampf im Heimbecken der Queens University schwamm Kunert erstmals 100 Yards Rücken, neben seinen üblichen 100 Yards Schmetterling und der Lagenstaffel über 4 x 50 Yards, wo er die Schmetterlingsstrecke übernahm. Unter dem tosenden Beifall der sportbegeisterten Kommilitonen ging eine erfolgreiche Zeit in dem Heimbecken zu Ende.

Einen NCAA II-Wettkampf wird es für die Queens in 2023 nicht geben, denn die Uni will in die NCAA I wechseln und muss dafür sowohl die eigene Schwimmhalle als auch die Anzahl der Schwimmer und Springer enorm aufbauen, um in fünf Jahren so weit zu sein. Dann ist Alexander Kunert lange nicht mehr dabei, aber er hat genau wie sein Freund und Nationalschwimmer Marius Kusch, der ihn zur Queens University gelockt hatte, seinen Stempel in die sportliche Geschichte der Uni tief hineingedrückt.

Die beiden Deutschen gehören zu den erfolgreichsten schwimmenden Studenten aller Zeiten dort, man wird ihnen ein gebührendes Andenken bereiten als Ansporn für die neuen Studenten, die das Schwimmen an der Queens University in Zukunft erfolgreich umsetzen sollen.

 Auf Wiedersehen! Der ehemalige Deutsche Meister und Nationalschwimmer Alexander Kunert vom SV Gelnhausen (hier mit Blumen und Urkunde abgebildet) genoss seine sportliche Verabschiedung an der Queens University sichtlich. Fotos: re

 Gelnhäuser Neue Zeitung