Es begann mit einer Rebellion …
Von Dr. Rolf Müller
Der Schwimmverein Gelnhausen blickt auf eine 100-jährige Geschichte zurück. Ehrenvorsitzender Dr. Rolf Müller hat für die GNZ einen Blick in die Chronik geworfen. Im ersten von drei Teilen geht es um die Gründung des Vereins und den Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die Gründung des eigenständigen Schwimmvereins Gelnhausen am 1. November 1924 hatte die Züge einer mittleren Rebellion. Durch den spektakulären Austritt einer Gruppe aktiver Schwimmer aus dem 1. Gelnhäuser Fußballclub entstand der SVG. Im Tageblatt las sich das so: „35 ausgetretene Mitglieder der Schwimmabteilung des 1. GFC 03 gründeten mit Freunden des edlen Schwimmsportes einen Schwimmverein …“
Der erste Vorsitzende dieses neuen Vereins war Jean Walther. Von Anfang an veranstaltete der junge SVG neben seinen sportlichen Aktivitäten auch gesellschaftliche Feiern, um den Zusammenhalt seiner Mitglieder zu festigen und um neue Mitglieder zu werben. Dies zieht sich wie ein roter Faden durch die Vereinsarbeit.
Auch nach der Gründung des SVG existierten in Gelnhausen weiterhin zwei Schwimmabteilungen, die des Fußball- und die des Turnvereins, und so musste man sich die Übungsabende in der städtischen Badeanstalt teilen, während das allgemeine Volksbad nur streng getrennt nach Geschlechtern benutzt werden durfte.
Angesichts der damaligen Eintrittspreise (Erwachsene 20 Pfennig, Jugendliche 10 Pfennig) kann man heute nostalgische Empfindungen an eine „schöne alte Zeit“ nur schwer unterdrücken.
Am 31. Juli 1927 vollbrachte der SVG ein „für die Verhältnisse einer Kleinstadt außerordentliches Werk“ (Gelnhäuser Tageblatt), als er ein eigenes Bad einweihen konnte, dem bald die Errichtung eines vereinseigenen Heims „Am Damm“ gegenüber der Schandelbachmündung folgte. Wie bedeutsam dieses Ereignis damals war, zeigte, dass sogar der Präsident des Deutschen Schwimmverbands, Dr. Geisow, eigens zu diesem Anlass nach Gelnhausen kam.
Im März 1929 fand der rasante Aufstieg des SVG fast ein jähes Ende, als der Vorsitzende Walther starb. Eine schnell „zusammengetrommelte“ Gruppe Schwimmbegeisterter rettete die Existenz des jungen Vereins, und Georg Seiler wurde neuer Vorsitzender.
Bereits damals wurde der spätere langjährige Vorsitzende des SVG, Ferdinand (Ferdi) Schmitt, zum Schwimmwart gewählt. Er sollte nach dem Weltkrieg jahrzehntelang den Schwimmverein prägen.
Da zu dieser Zeit immer noch zwei konkurrierende Schwimmvereinigungen bestanden, wurde das „Lokalderby“ anlässlich des Verfassungstages im August 1930 zu einem Prestigeduell, das der SVG sowohl in den Schwimmwettbewerben als auch im Wasserball für sich entschied, was seiner Arbeit neuen Auftrieb verschaffte.
Doch der Nationalsozialismus mit seinem totalitären Anspruch erschwerte zunehmend die Aktivitäten des Vereins. Als die Mitgliedszahlen unter die willkürlich verordneten 50 sanken, musste sich der SVG auflösen. Kurz vor Beginn des Krieges hörte der stolze Verein dann endgültig auf zu existieren.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, der auch dem SVG schwer zu ersetzende Verluste gebracht hatte, begann der Schwimmsport als zartes Pflänzchen wieder aufzublühen. Da die alliierten Siegermächte nur eine „Sportvereinigung Gelnhausen“ zuließen, bildete sich unter deren Dach auch eine Schwimmabteilung. Deren Motoren waren Peter Hövels und Ferdinand Schmitt, der bereits als Jugendlicher zu den Gründungsmitgliedern gehört hatte. Erst im Jahre 1948 konnten in dem wegen seiner Kälte berühmt-berüchtigten Kinzigbad wieder die ersten Wettkämpfe stattfinden.
Dem Jugendschwimmer Helmut Hartwig, einem Neffen von Ferdinand Schmitt, gelangen die ersten überregionalen Erfolge für die Schwimmabteilung, als er 1950 Hessischer Jugendmeister im 100-Meter-Brustschwimmen wurde. Die Aufwärtsentwicklung ging weiter, und noch im selben Jahr schlossen sich die schwimmsporttreibenden Vereine von Gelnhausen, Bad Orb, Steinau und Büdingen zu einem Schwimmkreis zusammen. Für lange Zeit gehörten die Schwimmfeste in diesen Städten zu den Höhepunkten der Schwimmsaison. Eine besondere Attraktion waren dabei der Transport der Wettkampfmannschaft mit amerikanischen Armee-Lastwagen, den „Ami-Trecks“, bei denen die SVG-Kinder ihre ersten Kontakte zu dem typischen amerikanischen „Nahrungsmittel“ Kaugummi knüpften. Ab und zu gingen sogar GIs als Schwimmer oder Springer für den SVG an den Start.
Dank des großen Engagements von Ferdinand Schmitt fand bereits 1952 ein hessisches Springertreffen in Gelnhausen statt, zu dem sage und schreibe über 1 000 Zuschauer kamen. So betraten die barbarossastädtischen Schwimmer, Wasserspringer und Wasserballer stufenweise die Bühne des hessischen Schwimmsports, die sie bis heute nicht wieder verlassen haben. Bereits zu dieser Zeit veröffentlichte Ferdinand Schmitt seine zukunftsweisenden „Gedanken zum Bau eines Hallenbades in Gelnhausen“, die jedoch erst 20 Jahre später eine moderne und sportgerechte Verwirklichung fanden. Doch bis es so weit war, mussten sich die Gelnhäuser Schwimmer und Springer noch lange in den weder hygienischen noch temperaturmäßig vorteilhaften Wellen der Kinzig quälen.
Die Neugründung des SV Gelnhausen erfolgte am 24. Juni 1955, als nach dem Austritt der Turner, der Fußballer und der Handballer auch die Schwimmer der Sportvereinigung den Rücken kehrten.
Der auf der Gründungsversammlung gewählte Vorsitzende Ferdinand Schmitt hat in einer Kontinuität ohne Beispiel bis 1979 aus dem SVG einen über Hessen hinaus anerkannten Club geformt. 1957 wurde sein Schützling, der zwölfjährige Rainer Zweifel, Hessischer Jugendmeister im Kunstspringen.
Bereits im Jahr 1956 war mit der „BSG Empor Grabow“ ein Verein aus der DDR zu Gast, damals ein beachtenswerter, seltener Vorgang.
Sehr weitblickend waren die regelmäßigen Hallenbadbesuche in Frankfurt, Friedberg und Hanau. Zugleich ließ Ferdinand Schmitt mit seinen Gedanken an ein eigenes Hallenbad oder wenigstens ein Lehrschwimmbecken für Schulen und Vereine nicht locker. Mit dem Slogan „Schwimmbäder bauen heißt Krankenhäuser sparen“ warb er unermüdlich für seine Idee.
Als Friedhelm Rudolf 1959 nach Gelnhausen kam, begann beim SVG der sportliche Aufstieg. Er war mit seinen modernen Trainingsmethoden der Wegbereiter der kommenden Erfolge und leitete die Entwicklung zum Leistungssportverein ein.
Währenddessen initiierte Ferdinand Schmitt einen „Bürgerausschuss für Badbau“, dem Vorläufer einer Bürgerinitiative, dessen Arbeit am Ende zu dem nach wie vor modernen Freibad im Osten der Stadt führte. In der Bauzeit 1964/1965 fand der SVG herzliche Aufnahme im idyllischen Röther Freibad.
Stolz präsentieren sich die Mitglieder des neuen Schwimmvereins im städtischen Kinzigbad.
Wenige Jahre nach der Gründung entsteht das Vereinsheim „Am Damm“. Fotos: RE
1948 konnten im Kinzigbad wieder Wettkämpfe stattfinden. Das Bad war für seine Kälte berüchtigt.
1952 fand ein hessisches Springertreffen statt, zu dem mehr als 1.000 Zuschauer kamen.
Das mittlerweile geschlossene Waldschwimmbad in Roth bot dem SVG ein freundliches Domizil.