Der Gelnhäuser Dr. Rolf Müller gibt heute nach 25 Jahren das Amt des Landessportbund-Präsidenten ab

Nach 25 Jahren an der Spitze des Hessischen Landessportbundes (LSB) tritt der 74-jährige Gelnhäuser Dr. Rolf Müller beim heutigen Sportbundtag nicht mehr für das Amt des Präsidenten an. Um seine Nachfolge kämpfen Juliane Kuhlmann und Dr. Heinz Zielinski. Im GNZ-Interview lässt Christdemokrat Müller seine Amtszeit Revue passieren, berichtet von den Veränderungen seit 1997 und wagt einen Blick in die Zukunft.

Herr Dr. Müller, Sie sagen nach 25 Jahren an der Spitze des LSB „adieu“. Blicken Sie eher mit einem weinenden oder einem lachenden Auge auf ihren Abschied?
Überwiegend mit einem zufriedenen Auge. Die 25 Jahre im Amt haben mir unglaublich viel Spaß gemacht, und ich glaube, das haben auch alle gemerkt. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, auf Wiedersehen zu sagen.

Was bewegt Sie dazu, nach einer solch langen Amtszeit nicht mehr anzutreten?
Ich denke, es ist einfach Zeit, dass eine neue Generation übernimmt.
Ihre Amtszeit hat sich durch die coronabedingte Verschiebung nochmals um neun Monate verlängert.
Richtig, der Sportbundtag war ursprünglich für den September 2021 geplant. Aber so bin ich nun mit einem Monat Vorsprung der amtsälteste Präsident seit Gründung des LSB, auch, wenn ich es darauf nie abgesehen hatte.

Blicken wir doch einmal gemeinsam zurück auf Ihre Anfänge. Wann hatten Sie zum ersten Mal Kontakt mit dem LSB?
Ich war von 1965 an im Vorstand meines Schwimmvereins Gelnhausen und hatte in dieser Tätigkeit immer mal vom LSB gehört. Später kam ich in das Präsidium des Hessischen Schwimmverbands und war zeitweise auch Präsident. Deswegen hatte ich schon relativ früh engen Kontakt mit dem LSB.

Und wie sind Sie letzten Endes dazu gekommen, 1997 für das Amt des Präsidenten zu kandidieren?
Von 1994 bis 1997 war ich Vizepräsident und wollte danach aus diversen Gründen eigentlich aufhören. Ich wurde damals aber gebeten, in einer Kampfkandidatur für das Präsidentenamt zu kandidieren. Das habe ich getan und seit der Zeit bin ich Präsident.

Wie hat sich die Arbeit des Präsidenten in den vergangenen 25 Jahren verändert?
Hauptsächlich hat sich das Aufgabenfeld stark verändert. Wir haben sehr viel in der Integration arbeiten müssen, nicht erst seit 2015. Da waren Sportvereine meistens der Motor. Das Thema Inklusion ist viel größer geworden, ein großes Feld ist auch der Gesundheitssport. Auch die Bandbreite an Sportangeboten ist gewachsen, es sind neue Sportvereine in neuen Sportarten entstanden. Diese Differenzierung war natürlich auch für uns eine Herausforderung. Heutzutage werden dadurch auch viel mehr Übungsleiter benötigt, sei es für Aerobic oder Volleyball.

Wie hat sich diese größere Bandbreite auf den Landessportbund ausgewirkt?
Es hat dazu geführt, dass die Zahl der Mitarbeiter größer geworden ist. Auch die Betreuung der Leistungssportler können Sie heutzutage nicht mehr mit einer Person leisten. Auch der Kader des Landesverbands ist größer geworden. Gleichzeitig ist die Arbeit durch die größere Bandbreite noch interessanter geworden.

Was waren die größten Herausforderungen in Ihrer Amtszeit?
Eine große Herausforderung war es, immer auf Augenhöhe mit der Landesregierung zu kommunizieren. Das ist nicht selbstverständlich. Wir mussten dafür über längere Zeit Lobbyarbeit betreiben. Viele denken, dass beispielsweise die Förderung aus Lotteriemitteln, die wir vor zwei Jahren zugesichert bekommen haben, vom Himmel gefallen ist. Dafür waren jedoch sehr viele Gespräche und Verhandlungen notwendig. Aber das gehört einfach dazu.

Wie sind im speziellen Ihre Erfahrungen während der Corona-Pandemie, als auch der Amateursport zwischenzeitlich vollständig zum Erliegen kam?
Corona war mit Sicherheit die größte Herausforderung in meiner Amtszeit. Der Lockdown hat uns sehr zurückgeworfen, wir hatten sehr große Mitgliederverluste. Ich glaube, es wird auch in Vereinen Long-Covid-Erscheinungen geben. Vor allem in der Motivation und der Bereitschaft der Menschen, ein Ehrenamt für den Verein auszuüben. Insgesamt war es eine unglaubliche Herausforderung, auch für den Landessportbund. Ich muss sagen, ich bin noch nie so viel von unseren Verbänden, Mitgliedsvereinen und Sportkreisen gelobt worden wie in dieser Zeit. Wir haben es geschafft, ganz eng mit der Sportabteilung des Innenministeriums zusammenzuarbeiten. Wir waren immer an den Gesprächen rund um Corona-Verordnungen beteiligt und konnten einige Themen sogar positiv beeinflussen. Außerdem konnten wir auf unserer Internetseite immer aktuell darüber informieren, was die geltende Bundesnotbremse, die aktuelle Landesverordnung oder die Erlasse der Kreise sind. Das hat den ehrenamtlich geführten Vereinen sehr geholfen. Da haben wir im Landessportbund gezeigt, dass wir eine gut aufgestellte und flexible Mannschaft haben. Wir können auch einiges aus dieser Zeit mitnehmen, seien es digitale Übungsabende oder digitales Training.

Was hat Ihnen am Amt des Präsidenten am meisten Freude bereitet?
Eigentlich hat mir alles Riesenspaß gemacht. Besonders gerne war ich dabei, wenn beispielsweise Vereine große Jubiläen hatten. Eigentlich war ich immer gerne da, wo viele Sportler und Ehrenamtliche zusammen sind. Das ist ein Menschenschlag, das macht mir einfach Spaß. Diese Menschen fragen nicht „Was bekomme ich dafür?“, was wir im Zuge der Individualisierung der Gesellschaft ja heutzutage häufig erleben. Auch Ehrungen und würdigende Worte bei Jubiläen zu finden, hat mir viel Freude bereitet, zumal ich selbst aus einem Verein komme, dort 55 Jahre im Vorstand war und weiß, was dort geleistet wird. Auch der Kontakt mit Spitzensportlern hat mir viel Freude bereitet. Franz Müntefering hat mal gesagt: „SPD-Vorsitzender ist das zweitschönste Amt nach dem Papst.“ Präsident des Landessportbundes ist aber auch nicht verkehrt (lacht).

Und über welche Erfolge haben Sie sich am meisten gefreut?
Es fällt mir da schwer, einen herauszuheben. Die Aufnahme des Sports als Staatsziel in die Landesverfassung war ein riesiger sportpolitischer Erfolg. Zumal das in Hessen durch eine Volksabstimmung vonstatten gehen musste. Wofür wir über 20 Jahre gekämpft hatten, war die Aufnahme in den Rundfunkrat des Landes Hessen. Auch die Förderung des Landessportbundes aus Lotteriemitteln verbuche ich als großen Erfolg. Das Ganze ist inzwischen sogar gesetzlich geregelt. In meiner Amtszeit haben wir auch viele Baumaßnahmen auf den Weg gebracht und fertiggestellt. Einer meiner persönlich größten Erfolge war zu Beginn meiner Tätigkeit der Bau eines 50-Meter-Beckens im Schwimmbad des Landessportbundes anstatt eines 25-Meter-Beckens. Dafür war viel Überzeugungsarbeit notwendig, da ging es hart her. Machen Sie mal einem Fußballer klar, warum man eine 50-Meter-Bahn braucht.
Blicken wir auf Ihre Nachfolgerin oder Ihren Nachfolger. Zur Wahl stehen Juliane Kuhlmann und Dr. Heinz Zielinski.

Was wollen Sie dem neuen Präsidenten mit auf den Weg gehen?
Wer auch immer gewählt wird, ich habe da ja so meine Vorstellungen, hat den großen Vorteil, sehr lange im Präsidium zu sein. Es ist niemand, der von jetzt auf gleich in das Amt kommt. Eine ganz wichtige Aufgabe des Präsidiums wird das Thema Digitalisierung sein. Die zweite wesentliche Aufgabe ist die Verbesserung der Situation des Schulsports. Gerade durch Corona haben wir außerdem einen gewissen Nachholbedarf an weiblichen Mitgliedern. Die Themen Integration und Inklusion werden sicher nicht kleiner werden. Finanziell sind wir momentan ganz gut aufgestellt, trotzdem sollte das neue Präsidium gerade im Hinblick auf unseren neuen Ministerpräsidenten den Faden sehr schnell aufnehmen. Wir brauchen die enge Partnerschaft mit der Politik.

Was sind in der aktuellen Zeit Ihrer Meinung nach die wichtigsten Aufgaben für den LSB?
Mit die wichtigste Aufgabe ist das Werben um ehrenamtliche Mitglieder. Seien es Trainer, Übungsleiter oder Vorstandsmitglieder – da müssen wir aufpassen, dass uns nicht die Basis wegbricht. Man muss das Ohr immer an der Gesellschaft haben. Die Entwicklungen in der Bevölkerung muss man früh ins Auge nehmen und darauf reagieren. Aber ich bin sicher, dass das neue Präsidium das machen wird.

Wie geht es für Sie persönlich weiter? Bleiben Sie dem Landessportbund erhalten?
Ich bleibe nicht in irgend einem Amt erhalten. Man ist gut beraten, wenn man sich nicht aufdrängt. Neue Leute haben neue Ideen und man kann nicht mit Rezepten aus einer anderen Zeit Probleme aus der Gegenwart lösen. Ich freue mich immer, wenn ich mal angerufen werde und mein Herzblut bleibt natürlich beim LSB. Aber ich werde nicht als der große weise Mann mit erhobenem Zeigefinger am Rand stehen. Da ich alle Präsidiumskandidaten kenne, habe ich das große Vertrauen, dass die das gut machen werden.

Was wollen Sie mit Ihrer neu gewonnenen Freizeit anstellen?
Ich habe 11 Enkel, das ist schon ein Beruf für sich, da gibt es jeden Tag was anderes zu tun (lacht). Außerdem lese ich sehr gerne und sehr viel und besuche gemeinsam mit meiner Frau auch mal ein Konzert. Es war ja auch nicht so, dass ich rund um die Uhr für den LSB tätig war. Aber Freizeit ist was Schönes. Ich habe das Wort Langeweile noch nie im Leben gekannt und werde es auch jetzt nicht kennenlernen.

Herr Dr. Müller, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Der Landessportbund Hessen
Der Landessportbund Hessen ist die Vereinigung aller hessischen Sportvereine und -verbände. Er vertritt als Dachorganisation der knapp 7 600 Sportvereine, die ein flächendeckendes Sportangebot garantieren, die Interessen des Sports im Bundesland Hessen. In diesem Dachverband engagieren sich rund 192 000 Menschen ehrenamtlich. Aufgaben des Landessportbundes sind unter anderem die Sportentwicklung in Hessen, der Dialog mit Politik und Staat, die Interessen von Frauen, Mädchen, Kindern und Jugendlichen, älteren Menschen, Menschen mit Behinderung und ausländischen Mitbürgern oder auch die Entwicklung des Sports im Hessischen Justizvollzug.

 Dr. Rolf Müller engagierte sich in den vergangenen Jahrzehnten beileibe nicht nur als Präsident des Landessportbundes Hessen. Er hinterließ auch als Oberstudienrat am Grimmelshausen-Gymnasium, als Mitglied des Landtags und des Kreistags sowie als Staatssekretär in der Hessischen Staatskanzlei prägende Spuren.

 Einst war der Verbandschef selbst erfolgreicher Schwimmer, unter anderem gewann er die Deutsche Hochschulmeisterschaft (1969). Für den Schwimmverein Gelnhausen war er mehr als 55 Jahre im Vorstand tätig und ist dort inzwischen Ehrenvorsitzender. Fotos: Privat

 Der Spitzenfunktionär aus Gelnhausen mit der Fecht-Olympiasiegerin Britta Heidemann (links) und Schwimmweltmeisterin Franziska von Almsick.

 Der scheidende Sportbundpräsident mit Turn-Olympiasieger Fabian Hambüchen (rechts).

 Gelnhäuser Neue Zeitung