Statistik des Landessportbundes Hessen zeigt besorgniserregende Entwicklung

Die Corona-Pandemie und der anhaltende Lockdown für den Breitensport bescheren Hessens Sportvereinen einen signifikanten Mitgliederrückgang. Das hat die Bestandserhebung des Landessportbundes Hessen ergeben. Die nun vorgelegten Zahlen offenbaren, dass fast 58 Prozent der Vereine, die Mitglied im Landessportbund sind, zwischen dem 1. Januar 2020 und dem 1. Januar 2021 zahlenmäßig geschrumpft sind. Insgesamt haben die rund 7600 hessischen Vereine in dieser Zeit rund 69 000 Mitglieder verloren. Das entspricht einem Rückgang um 3,2 Prozent auf nun 2,066 Millionen Mitglieder. So wenig zählte der Landessportbund zuletzt 2010.

„Das jahrelange Mitgliederwachstum des organisierten Sports in Hessen wurde durch die Corona-Pandemie gestoppt. Angesichts der anhaltenden Einschränkungen befürchten wir, dass sich diese Entwicklung bis Ende 2021 sogar noch verschärfen wird“, bewertet Landessportbund-Präsident Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) die vorläufigen Zahlen, an denen noch kleinere statistische Bereinigungen vorgenommen werden müssen.

Ein genauer Blick auf die Statistik zeigt zwei Entwicklungen auf, die der Dachverband als besonders besorgniserregend bewertet. So entfallen fast 63 Prozent aller Mitgliederverluste auf Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Der Rückgang der Zahlen innerhalb dieser Altersgruppe beläuft ich auf 6,8 Prozent und ist damit fast viermal so hoch wie bei den Erwachsenen. Bei den bis Sechsjährigen ist sogar ein Minus von 17 Prozent zu erkennen. „Es besteht große Gefahr, dass uns eine ganze Generation verloren geht“, warnen der Landessportbund-Präsident und die Vorsitzende der Sportjugend Hessen, Juliane Kuhlmann.

Natürlich hoffe man, bei einer Normalisierung des Sportbetriebs auch wieder mehr Kinder für den Vereinssport zu begeistern und die Verluste so zumindest teilweise ausgleichen zu können. Kuhlmann verweist aber darauf, dass es schwer werde, „die Bewegungs- und Trainingsdefizite im Nachwuchssport wieder aufzuholen“. Die Ergebnisse der Bestandserhebung untermauerten, warum es besonders wichtig sei, Kinder- und Jugendsport bei einer Öffnung des Vereinssports bevorzugt zu behandeln.

Großvereine als „Sorgenkinder“, Verluste in allen Sportkreisen

Die zweite besorgniserregende Entwicklung offenbart die Bestandserhebung bei den hessischen Großvereinen. Häufig mit eigenen Sportstätten und festangestellten Mitarbeitenden ausgestattet, leiden sie nicht nur finanziell stärker unter der Krise als andere. Sie sind auch überproportional stark von Mitgliederverlusten betroffen: Rund 40 Prozent der Rückgänge entfallen auf die 311 Sportvereine im Landessportbund Hessen mit 1 001 und mehr Mitgliedern. Allein der Mitgliederrückgang dieser Vereinsgruppe umfasst insgesamt rund 27 500 Mitglieder.

Die 20 größten Vereine Hessens (Eintracht Frankfurt ausgenommen) verzeichneten einen deutlich überdurchschnittlichen Rückgang um 6,2 Prozent. Lässt man außerdem die verschiedenen Sektionen des Deutschen Alpenvereins außen vor, die in der Tendenz an Mitgliedern gewonnen haben, beträgt der Rückgang sogar 10,4 Prozent.

In allen 23 Sportkreisen des Landessportbundes Hessen haben die Vereine insgesamt an Mitgliedern verloren. Die Verluste reichen laut der vorläufigen Statistik von -0,7 Prozent (Sportkreis Werra-Meißner) bis zu -5,7 Prozent (Groß-Gerau). Zu den „Negativ-Spitzenreitern“ gehören somit auch Wiesbaden (-4,6 Prozent), Darmstadt-Dieburg (-3,9), Offenbach (-3,8) und Frankfurt (-3,8), wo der Zugewinn der Eintracht die Tendenz abschwächt. Im Nachwuchsbereich verlieren – außer Werra-Meißner (-0,8 Prozent) – alle Sportkreise deutlich. Überdurchschnittlich hoch sind die Verluste in Wiesbaden (-10,0), Groß-Gerau (-9,3) Main-Kinzig (-9,0), Rheingau-Taunus (-8,4), Darmstadt-Dieburg (-7,9), Offenbach (-7,7), Limburg-Weilburg (-7,3), Main-Taunus (-7,2) und Lahn-Dill (-7,0).

Bei den Verbänden lassen sich aufgrund der zum Teil kleinen Grundgesamtheit nur tendenzielle Aussagen treffen. „Wir sehen, dass die Kontaktsportarten im vergangenen Jahr besonders stark gelitten haben. Sie eignen sich nun mal am wenigsten, um Abstandsgebote einzuhalten“, fasst Müller zusammen. So sind die Verluste im Judo (-11,6 Prozent), Ju-Jutsu (-9,9), Kickboxen (-9,1), Taekwon Do (-7,3), Karate (-6,7), Ringen (-6,5) besonders hoch.

Mit dem Turn- und dem Schwimmverband verlieren auch zwei der fünf größten hessischen Verbände überdurchschnittlich – nämlich um jeweils 6,6 Prozent. Turnen und Schwimmen büßten bei den Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahren mehr als zehn Prozent ihrer Mitglieder ein.

Ähnlich sieht es im Judo (-16,2 Prozent bei den bis 18-Jährigen) und anderen Kontaktsportarten aus. Kritisch ist auch die Entwicklung im Behinderten- und Rehabilitationssport: Der hessische Verband verliert fast zehn Prozent seiner Mitglieder – im Nachwuchsbereich sogar 23 Prozent.

Eine endgültige und detaillierte Bestandserhebung wird der Landessportbund voraussichtlich Anfang April veröffentlichen.

 Gelnhäuser Neue Zeitung