Der Präsident des Landessportbundes Hessen, Dr. Rolf Müller (Gelnhausen), befürchtet im Zuge des zweiten Lockdowns eine existenzielle Gefährdung von Vereinen und damit Nachteile für die Gesellschaft

Jetzt müssen die hessischen Sportvereine zum zweiten Mal ein faktisches „Sportverbot“ erleben. Das ist eine äußerst schmerzhafte politische Entscheidung, die den Vereins- und Amateursport in Hessen im Mark trifft.

Wir können nur hoffen, dass die Aussetzung des Breitensports kein Dauerzustand wird, weil dies zu existentiellen Gefährdungen für viele Vereine würde. Daher ist es dringend notwendig, dass in den politischen Gremien bereits jetzt an einer mittelfristigen Strategie zur Sicherstellung des Sportangebots unserer 7 600 Vereine gearbeitet wird.

Man muss sich immer daran erinnern, dass unsere Vereine überwiegend ehrenamtlich geführt werden und dass sie von kurzfristigen Entscheidungen, neuen Verordnungen und Anforderungen vor große organisatorische Herausforderungengestellt werden.

Die Ehrenamtler haben in der Pandemie großes Engagement und Geschick bewiesen. Es wurden Hygienekonzepte entworfen und umgesetzt, Ein- und Auslassregeln entwickelt, Kontaktlisten geführt, und gesellschaftliche Verantwortungübernommen, um das Infektionsgeschehen gering zu halten.

Daher ist die Enttäuschung über die jetzigen harten Maßnahmen nur verständlich. Dennoch bin ich sehr stolz, dass sich unser Sportsystem nach dem ersten „Sportverbot“ am 17. März als sehr robust, verantwortungsvoll, anpassungsfähig und kreativ erwiesen hat. Aber wenn der Vereinsbetrieb jetzt wieder über weitere längere Zeiten untersagt bleibt, dann drohen gewaltige Probleme, die über finanzielle Probleme hinausgehen. Es steht zu befürchten, dass sich Mitglieder, die keine Angebote mehr wahrnehmen können, vom Verein abwenden, die Lust an ehrenamtlicher Arbeit nachlässt und insbesondere Kinder und Jugendliche nur noch schweren Zugang zum Vereinssport finden.

Der Landessportbund wird wieder, wie schon beim ersten Lockdown, seine bewährte Informations-, Beratungs- und Förderarbeit fortführen und die Vereine in dieser schwierigen Zeit nicht alleine lassen, sondern sie umfassend fördern.

Aber wir benötigen auch die Verlängerung der Corona-Hilfsprogramme von 2021, die im Interesse der Vereine aktualisiert werden müssen. In diesem Sinne vertrauen wir auf die Zusage des Ministerpräsidenten Volker Bouffier, der angekündigt hat, „Entschädigungsleistungen für alle, die durch diese Maßnahmen unmittelbar betroffen sind“, zu zahlen.

Der organisierte Sport steht vor seiner größten Herausforderung seit 1946. Die Vereine sind sehr belastbar, aber wir dürfen nicht versuchen, herauszufinden, wann diese Belastbarkeit endet.

Daher benötigen wir politische Hilfe wie zum Beispiel ein Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes, finanzielle Hilfestellungen und Zeichen der Wertschätzung.

Aber wir brauchen auch die Solidarität der Sportvereine und -verbände untereinander, und wir brauchen jetzt mehr denn je die Solidarität der Vereinsmitglieder, in dieser außergewöhnlichen Notzeit ihren Vereinen zur Seite zu stehen und nicht auszutreten.

Eines hat sich bereits jetzt gezeigt: Vereine sind soziale Orte, an denen nicht nur Angebote für körperliche Betätigung unterbreitet werden, sondern sie sind auch Orte der Geselligkeit, des emotionalen Miteinanders, sie sind ein Stück Heimat. Das darf nicht aufs Spiel gesetzt werden, denn dazu sind sie für einzelne wie für die Gesellschaft zu wertvoll.

 Zur Person: Der Gelnhäuser Dr. Rolf Müller (72) steht seit 1997 an der Spitze des Landessportbundes Hessen. Der Christdemokrat war jahrzehntelang Mitglied des Hessischen Landtags.

 Gelnhäuser Neue Zeitung