Olympia-Aspirant Alexander Kunert (SV Gelnhausen) beurteilt die jüngste optimistische Einschätzung von IOC-Präsident Thomas Bach skeptisch
Nachdem die Olympischen Spiele 2020 in Tokio aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden mussten, zeigten sich IOC-Präsident Bach und das Olympische Komitee Japans kürzlich dahingehend optimistisch, dass die Spiele im kommenden Jahr stattfinden könnten und dass vor dem Hintergrund der fortschreitenden Impfstoff-Entwicklung auch die Zulassung von Publikum vorstellbar sei. Was im ersten Moment aus der Sicht von potenziell teilnehmenden Sportlern erfreulich klingt, trifft bei vielen der betroffenen Athleten aber auch auf Skepsis, ob dieses Szenario wirklich zur Realität werden kann. Zu diesen Sportlern zählt auch Alexander Kunert.
Der 24-jährige Olympia-Aspirant, der nach wie vor für den Schwimmverein Gelnhausen (SVG) startet, glaubt noch nicht so wirklich daran, dass im kommenden Jahr alles besser sein wird. Das jetzt bald zu Ende gehende Jahr verlief für ihn, wie für viele andere hoffnungsvolle Sportler in aller Welt, gründlich anders als geplant. Kunert, der seit knapp zwei Jahren in Charlotte im US-Bundesstaat North Carolina „Business Administration“ studiert, erzählt: „Ich musste im März, als der erste Lockdown uns aus heiterem Himmel traf, Hals über Kopf mitten im NCAAII-Nationals-Wettkampf die Segel streichen. Ich durfte den Wettkampf nicht beenden, obwohl ich als Vorlaufschnellster ins Finale über 200 Meter Freistil kam. Der Trainer meinte plötzlich, die Mannschaft wäre raus. Kurz darauf wurde die Veranstaltung komplett abgebrochen, wir mussten zurück an die Uni. Dort mussten wir binnen drei Tagen den Campus räumen. Ich bekam zum Glück noch einen Rückflug nach Berlin, andere hatten nicht so ein Glück und blieben zwangsweise monatelang in den USA.“ In seiner Wahlheimat Berlin gab es für Kunert nur noch eine einzige Möglichkeit des Trainings für Kaderschwimmer des Deutschen Schwimmverbandes (DSV) am Olympiastützpunkt Hohenschönhausen. Das heimische Ass zählt zu diesem Kader und konnte daher sowohl trainieren als auch online studieren.
Seit 17. Oktober wieder in den USA
Am 17. Oktober flog der Gelnhäuser, der dem SVG bereits seit dem Beginn seiner sportlichen Laufbahn die Treue hält, zurück in die USA. Das Schwimmtraining findet an der Uni statt, dazu OnlineKurse ohne persönlichen Kontakt. Trainiert wird unter strengsten hygienischen Bedingungen.
Kunert hatte am vergangenen Wochenende bei den US-Open in Greensboro (North Carolina) seinen ersten Wettkampf auf der 50-Meter-Bahn seit März. Er startete zweimal über 100 Meter und 200 Meter Freistil (8. und 14. Platz) und war mit seinen Leistungen aus dem vollen Training heraus insgesamt zufrieden. Bereits am kommenden Wochenende folgt ein erster Uniwettkampf gegen eine Nachbaruniversität auf der kurzen 25-Yards-Bahn.
Unklare Wettkampf- und Qualifikationsperspektive
„Die Olympischen Spiele 2021 sind für mich noch kein wirkliches Thema. Wir haben keine Wettkämpfe in absehbarer Zeit, bei denen wir uns überhaupt qualifizieren könnten, das macht die Vorbereitung schwer. Für eine Qualizeit muss man top trainiert sein und auf den Punkt genau seine Bestleistungen abrufen können. Wie soll das gehen, wenn man nicht weiß, wann die Wettkämpfe sind?“, zeigt sich Kunert ein wenig nachdenklich. Deswegen kümmert sich der Student parallel zum harten Training um seinen Bachelorabschluss, den er im kommenden Frühjahr anvisiert. Sein Trainer Jeff Dugdale hält seine Schützlinge auf dem Laufenden, ob und gegebenenfalls wann auch in den USA geeignete Wettkämpfe stattfinden werden, um sich für die deutsche Mannschaft für Tokio 2021 zu empfehlen. Um nicht zu sehr in eine weitere Enttäuschung zu rennen, sieht Kunert die Lage realistisch: „Ich denke, die Olympiade 2021 in Tokio wird wieder sehr auf der Kippe stehen, daher fokussiere ich mich nicht so darauf wie in diesem Jahr. Das erspart mir eine Enttäuschung. Aber natürlich hoffe ich, dass die Spiele stattfinden und ich meinen Traum von einer Olympiateilnahme erfüllen kann.“ Der Gelnhäuser gehört bis Ende 2021 dem Perspektivkader des DSV an. Die Deutschen Meisterschaften wurden in diesem Jahr ebenso wie weitere Wettkämpfe abgesagt. Jetzt hofft Kunert auf ein baldiges Ende der Pandemie und der damit verbundenen tiefen Einschnitte in die sowohl sportlichen wie auch gesellschaftlichen Bereiche.
Er glaubt, dass die Sommerolympiade in Tokyo auch im kommenden Jahr auf der Kippe stehen wird und hat aufgrund dessen seine Prioritäten verschoben: Der Gelnhäuser Topschwimmer Alexander Kunert fokussiert sich derzeit auf ein Studium, das er im US-Bundesstaat North Carolina absolviert. Wobei am kommenden Wochenende für ihn allerdings auch ein erster Uni-Wettkampf ansteht, dem der 24-Jährige entgegenfiebert. FOTOS: GNZ